Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Der Machtkampf zwischen dem Regime des ukrainischen Präsidenten und den europafreundlichen Demonstranten spitzt sich zu. Außenminister Koschora bittet den Westen um Vermittlung. Russland warnt vor Einmischung.

Machtkampf in KiewUkraine bittet Westen um Vermittlung

 ·  Der Machtkampf zwischen dem Regime des ukrainischen Präsidenten und den europafreundlichen Demonstranten spitzt sich zu. Außenminister Koschora bittet den Westen um Vermittlung. Russland warnt vor Einmischung.
© AFPVergrößernEU-freundliche Patrioten: Kiewer Demonstranten singen die Nationalhymne.
Während die ukrainische Opposition am Mittwoch in der Hauptstadt Kiew die Gebäude des Parlaments, der Präsidentenverwaltung und der Regierung durch dichte Kordons von Demonstranten blockierte, hat Außenminister Leonid Koschara den Westen um Vermittlung gebeten. Am Mittwoch sagte er einer Gruppe von Journalisten, seine Regierung würde Vermittler „auf hoher Ebene“ willkommen heißen.
Koschara behauptete, die westlich orientierte Opposition verweigere sich Gesprächen mit der gegenwärtigen Führung. „Europäische Hauptstädte“ mögen doch versuchen, sie zu mehr Kommunikationsbereitschaft zu bewegen. Der Europarat kündigte an, vermitteln zu wollen. Generalsekretär Thorbjørn Jagland wolle sich noch am Mittwoch in Kiew unter anderem mit Regierungschef Mykola Asarow und den Vorsitzenden der Parlamentsparteien treffen, hieß es in Straßburg.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hingegen warnte den Westen vor einer Einmischung in die Angelegenheiten der Ukraine. Er reagierte damit auf eine Erklärung der Nato, die das Vorgehen der Behörden gegen Demonstranten in Kiew als „exzessive Gewalt“ verurteilt hatte. Lawrow bezeichnete die Vorgehensweise der ukrainischen Opposition am Rande eines Ministertreffens des Russlands-Nato-Rates am Mittwoch in Brüssel als „aggressiv“. Auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico kritisierte die Haltung der EU gegenüber der Ukraine.
Die EU sei so sehr in sich selbst verliebt, sagte der sozialdemokratische Politiker in Preßburg (Bratislava), dass sie meine, es gebe nichts besseres auf der Welt. Nach einem Bericht der slowakischen Nachrichtenagentur Sita sagte Fico, er sei zwar der Meinung, dass es besser gewesen wäre, hätte die Ukraine das Assoziationsabkommen mit der EU unterzeichnet. Stattdessen habe sie als freier und souveräner Staat einen anderen Weg eingeschlagen, den er nicht bewerten wolle.

Friedliche Demonstrationen

Unterdessen verwandelten die ukrainischen Demonstranten den „Majdan“, den Unabhängigkeitsplatz in der Mitte der Stadt Kiew, in eine Art Feldlager. Alle Zugänge waren am Mittwoch verbarrikadiert und bewacht, in der Mitte wurden Spaliere von Militärzelten, Suppenküchen und Toiletten eingerichtet. Die Straßen zum Parlament, zur Präsidentenkanzlei und zum Sitz des Ministerpräsidenten waren von dichten Kordons der Demonstranten blockiert, denen in geringem Abstand ebenso dichte Kordons der Miliz gegenüberstanden. Die Stimmung war allerdings am Nachmittag nicht aggressiv, die Ordner der Opposition schienen darauf zu achten, dass Gewaltakte aus den Reihen der Demonstranten vermieden wurden. Die Opposition teilte mit, sie habe den Plenarsaal im Parlament blockiert. Die Blockaden waren allerdings nicht vollständig. Der große Hintereingang des Präsidentenpalastes, den Janukowitsch mit seiner Fahrzeugkolonne im Alltag benutzt, war frei zugänglich. Der Präsident hielt sich nicht in der Stadt auf, sondern befand sich auf einer lange geplanten Reise nach China.
Die Führer der drei maßgeblichen Oppositionsparteien, Boxweltmeister Vitali Klitschko („Udar“), der frühere Parlamentsvorsitzende Arsenij Jazenjuk („Batkiwschtchina“) und der Nationalist Oleh Tjahnibok („Swoboda“), verlangten schon am Dienstagabend gemeinsam auf einem Autodach vor der blockierten Präsidentenverwaltung stehend den Sturz des Regimes Janukowitsch. Westliche und ukrainische Quellen in Kiew vermittelten allerdings den Eindruck, die drei Oppositionsführer hätten noch keine schlüssige Strategie entwickelt. Die pro-europäischen Demonstrationen der vergangenen Wochen seien viel größer gewesen als erwartet, und nun stünden sie unter dem Druck des eigenen Erfolges.
Am Sonntag hatten wider Erwarten mehrere hunderttausend Menschen auf dem „Majdan“ demonstriert, nachdem am Tag davor ein begrenzter Gewalteinsatz durch die Polizei gegen eine kleine Gruppe meist sehr junger und offenbar friedlicher Demonstranten die Öffentlichkeit hell empört hatte. Intern wurde der Eindruck vermittelt, die Opposition versuche – anders als etwa zu Zeiten der „Revolution in Orange“ im Jahr 2004 – nicht aktiv, mit dem Regime ins Gespräch zu kommen oder innerhalb des Regimes Verbündete zu finden. Von Westen her werde sie dazu gedrängt, aber zunächst ohne sichtbaren Erfolg.
Vieles deutete am Mittwoch auf einen langen Machtkampf hin. Die Demonstranten richteten sich hinter ihren Barrikaden ein. Zelte, Küchen, Holzstapel für die Nachtwachen waren zu sehen, dazu in Kolonnen aufmarschierende Männer, offenbar Ordner. Intern behauptete die Opposition, 50.000 Menschen von außerhalb Kiews für unbestimmte Zeit mit Kost und Logis versorgt zu haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen